Wie wichtig ist ein guter Psychiater?

 

Es gibt mehrere Gründe, warum es nicht ideal ist, dass ein nicht erfahrener Psychiater  (Hausarzt, Neurologe, Assistenzarzt, Kassenpsychiater mit wenig Zeit, usw.) psychiatrische Patienten behandelt:

 

1. Fachkompetenz: Psychiatrische Erkrankungen erfordern oft spezialisierte Kenntnisse und Erfahrungen, die nicht erfahrene Psychiater möglicherweise nicht haben.

2. Diagnostische Schwierigkeiten: Psychiatrische Erkrankungen können schwierig zu diagnostizieren sein, insbesondere wenn es um komplexe Fälle geht.

Psychiatrische Erkrankungen sind oft schwierig zu diagnostizieren, weil:

 

  • Symptome unspezifisch sein können
  • Patienten ihre Symptome nicht immer genau beschreiben können
  • Es keine eindeutigen Laborwerte oder bildgebenden Verfahren gibt, um psychiatrische Erkrankungen zu diagnostizieren

 

Deswegen erfordert die Diagnose psychiatrischer Erkrankungen oft eine sorgfältige Anamnese, eine gründliche körperliche Untersuchung und eine psychische Statusuntersuchung durch einen erfahrenen Psychiater.

 

Einige Beispiele für diagnostische Schwierigkeiten bei psychiatrischen Erkrankungen sind:

 

  • Schwere Depression vs. Burnout: Die Symptome einer Depression und eines Burnouts können sehr ähnlich sein, wie z.B. Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Verlust von Interessen. Es kann schwierig sein, die zugrunde liegende Erkrankung zu diagnostizieren. Resultat: falsche Therapie mit Chronifizierung!  


  • Angststörung vs. Herz-Kreislauf-Erkrankung: Die Symptome einer Angststörung, wie z.B. Herzrasen, Schwindel und Atemnot, können auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten. Es kann schwierig sein, die zugrunde liegende Erkrankung zu diagnostizieren. Resultat: falsche Therapie mit Lebensgefahr!


  • Psychotische Episoden bei anderen Erkrankungen vs. Schizophrenie: Eine psychotische Episode kann auch bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen auftreten, wie z.B. bei einer Schizophrenie, einer bipolaren Störung oder einer schweren Depression. Es kann schwierig sein, die zugrunde liegende Erkrankung zu diagnostizieren. Resultat: falsche Therapie mit Chronifizierung! Die Therapie ist unterschiedlich!


  • ADHS vs. Autismus-Spektrum-Störung: Die Symptome einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und einer Autismus-Spektrum-Störung können sich überschneiden, wie z.B. Probleme mit der sozialen Interaktion und der Impulskontrolle.  Es kann schwierig sein, die zugrunde liegende Erkrankung zu diagnostizieren. Resultat: falsche Therapie mit Chronifizierung!


  • Borderline-Persönlichkeitsstörung vs. ADHS: Die Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, wie z.B. emotionale Instabilität und Impulskontrolle, können auch bei einer ADHS auftreten. Es kann schwierig sein, die zugrunde liegende Erkrankung zu diagnostizieren. Resultat: falsche Therapie mit Chronifizierung! Bei Borderline Störungen ist eine Psychotherapie (DBT) die Therapie der Wahl!


  • Schizophrenie vs. schizoaffektive Störung: Die Symptome einer Schizophrenie, wie z.B. Halluzinationen und Wahnvorstellungen, können auch bei einer schizoaffektiven Störung auftreten. Es kann schwierig sein, die zugrunde liegende Erkrankung zu diagnostizieren. Resultat: falsche Therapie mit Chronifizierung! Schizoaffektive Störungen benötigen keine langfristige antipsychotische Therapie.


  • Soziale Angststörung vs. Autismus-Spektrum-Störung: Die Symptome einer sozialen Angststörung, wie z.B. Angst vor sozialen Situationen, können auch bei einer Autismus-Spektrum-Störung auftreten. Es kann schwierig sein, die zugrunde liegende Erkrankung zu diagnostizieren. Resultat: falsche Therapie mit Chronifizierung! Soziale Angststörungen brauchen psychotherapeutische Ansätze, Patienten mit ASS eher pädagogische Ansätze!


  • Essstörungen vs. andere psychiatrische Erkrankungen: Die Symptome von Essstörungen, wie z.B. Anorexie oder Bulimie, können auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen, wie z.B. Depressionen, Angststörungen oder borderline Störungen, auftreten. Es kann schwierig sein, die zugrunde liegende Erkrankung zu diagnostizieren. Resultat: falsche Therapie mit Chronifizierung! Eine Essproblematik bei borderline Patienten wird anders behandelt als eine reine Essstörung!


  • Borderline-Persönlichkeitsstörung vs. Bipolare Störungen: Die Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, wie z.B. emotionale Instabilität und Impulskontrolle, können auch bei einer bipolare Störung auftreten. Es kann schwierig sein, die zugrunde liegende Erkrankung zu diagnostizieren. Resultat: falsche Therapie mit Chronifizierung! Borderline Patienten brauchen keine medikamentöse Therapie!


  • Demenz vs. Pseudodemenz bei Depressionen usw.


Beispiel:

Eine 25-jährige Frau, die wir "Anna" nennen, kommt in eine psychiatrische Praxis und berichtet über folgende Symptome:

 

- Sie hat extreme Stimmungsschwankungen, von tiefer Traurigkeit bis hin zu euphorischen Zuständen.

- Sie hat Impulskontrollprobleme und neigt zu selbstschädigendem Verhalten, wie z.B. Selbstverletzungen.

- Sie hat Schwierigkeiten, stabile Beziehungen aufzubauen und zu erhalten.

- Sie hat ein starkes Gefühl von Leere und Langeweile.

 

Es ist schwierig, zwischen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und einer bipolaren Störung zu unterscheiden, da beide Erkrankungen ähnliche Symptome aufweisen können.

 

Einige Argumente für eine Borderline-Persönlichkeitsstörung:

 

- Annas Impulskontrollprobleme und selbstschädigendes Verhalten sind typisch für eine Borderline-Persönlichkeitsstörung.

- Ihre Schwierigkeiten, stabile Beziehungen aufzubauen und zu erhalten, sind auch ein typisches Merkmal einer Borderline-Persönlichkeitsstörung.

 

Einige Argumente für eine bipolare Störung:

- Annas extreme Stimmungsschwankungen, von tiefer Traurigkeit bis hin zu euphorischen Zuständen, sind typisch für eine bipolare Störung.

- Ihre euphorischen Zustände könnten auch ein Hinweis auf eine manische Episode sein, die ein typisches Merkmal einer bipolaren Störung ist.

 

Um eine genaue Diagnose zu stellen, wäre es wichtig, Annas Symptome und Verhaltensmuster über einen längeren Zeitraum zu erheben. Es wäre auch wichtig, ihre familiäre und persönliche Geschichte zu berücksichtigen und eventuell weitere Untersuchungen/Testungen durchzuführen. Zum Beispiel: gibt es Traumata in der Vorgeschichte (sex. Missbrauch? Gewalterfahrungen? Emotionale Vernachlässigung?)? Auch die Interaktionen mit Anna sind wichtig: ist sie feindselig? Agierend? Spaltend? Angespannt?

 

Wenn man die Diagnose zwischen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und einer bipolaren Störung nicht genau stellt, kann dies zu folgenden Gefahren führen:

 

  • Falsche Behandlung: Eine falsche Diagnose kann zu einer falschen Behandlung führen, die nicht nur unwirksam ist, sondern auch schädlich sein kann.


  • Verschlechterung der Symptome: Wenn die Behandlung nicht auf die zugrunde liegende Erkrankung abgestimmt ist, können die Symptome verschlechtern und die Erkrankung kann chronischer werden.


  • Medikamentenunverträglichkeiten: Wenn Medikamente für eine falsche Erkrankung verschrieben werden, kann dies zu Unverträglichkeiten und Nebenwirkungen führen.


  • Verzögerung der richtigen Behandlung: Eine falsche Diagnose kann die richtige Behandlung verzögern, was die Prognose und die Lebensqualität des Betroffenen beeinträchtigen kann.


  • Stigmatisierung und Selbstzweifel: Eine falsche Diagnose kann auch zu Stigmatisierung und Selbstzweifel führen, wenn der Betroffene sich nicht versteht oder sich selbst für seine Symptome verantwortlich macht.

 

Es ist daher wichtig, dass eine genaue Diagnose durch einen erfahrenen Arzt oder Psychiater gestellt wird, um die richtige Behandlung und Unterstützung zu erhalten.

 

3. Therapie- und Medikamentenmanagement: Psychiatrische Patienten benötigen oft spezielle Therapien und Medikamente, die von Fachärzten verordnet und überwacht werden sollten.

 

4. Zeit- und Ressourcenmangel: Hausärzte haben oft einen vollen Terminkalender und müssen sich um eine Vielzahl von Patienten kümmern, was es schwierig machen kann, psychiatrischen Patienten die notwendige Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen.

 

5. Netzwerk- und Überweisungsmöglichkeiten: Nicht Psychiater mögen nicht immer die notwendigen Netzwerk- und Überweisungsmöglichkeiten haben, um psychiatrische Patienten an spezialisierte Fachärzte oder Einrichtungen zu überweisen.