F50.0 Anorexia
THERAPIE
Insgesamt fußt die Magersucht-Therapie auf drei Säulen:
- Die somatische Therapie und Ernährungstherapie,
- eine individuelle, ganzheitliche, d.h. alle Lebensaspekte berücksichtigende psychotherapeutische Behandlung
- die Einbeziehung der Familie.
Eine stationäre Therapie ist oft zielführender als ambulante Strategien, da die Essensituationen konkret durch Fachpersonal begleitet werden sowie kompakter und die Erkrankung insgesamt ganzheitlicher behandelt werden kann. Denn: Die Wahrnehmung des eigenen Körpers lässt sich nicht von einem Tag auf den anderen verändern. Das Behandlungskonzept umfasst Maßnahmen zur Normalisierung des Essverhaltens und zur Gewichtsrehabilitation sowie psychotherapeutische Verfahren.
Normalisierung des Gewichts erreichen
Eine bedeutende Rolle bei der Behandlung von Magersucht spielt die Verhaltenstherapie, in deren Verlauf über Verstärkung die Betroffenen bestimmte Gewichtsmarken erreichen sollen. Auch wenn die Gewichtszunahme eine Herausforderung für den Patienten ist, macht er doch die Erfahrung, dass der Körper wieder belastbarer, der Geist konzentrierter und die Stimmung besser wird, da auch viele Funktionsbereiche des zentralen Nervensystems im körperlich abgemagerten Zustand nur eingeschränkt funktionieren.
Wichtig ist eine kontinuierliche, nicht zu schnelle Gewichtszunahme, damit der Organismus die zugeführten Nährstoffe gesund verwerten kann. Zu schnelle Gewichtszunahmen sind schädlich und erhöhen das sofortige Rückfallrisiko, zumal angenommen werden muss, dass die hastige Gewichtszunahme ein unbewusster Abwehrmechanismus des Patienten sein könnte sich nur äußerlich, nicht aber intrapsychisch mit seinen Themen auseinanderzusetzen. Die Gewichtszunahme wird über Ernährungspläne, Ernährungsberatung und konkrete Portionierungshilfen mit gestuftem Übergang in die selbständige Handhabung unterstützt.
Verbesserung des Selbstwertgefühls und der sozialen Fähigkeiten
Kern der psychotherapeutischen Behandlung bilden u.a. Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie. In deren Rahmen werden die Patienten intensiv dazu angeregt, die mit einer Essstörung verbundenen, dysfunktionalen Gedanken zu hinterfragen. Eine große Rolle spielen auch die eigene Einschätzung von Figur und Gewicht für das Selbsterleben und das Selbstwertgefühl der Jugendlichen. Bisherige Überzeugung werden hinterfragt und an deren Stelle neue, sich an der Realität orientierende Gedanken erarbeitet.
Im Rahmen einer ganzheitlichen Hilfe bei Magersucht werden nach individuellem Bedarf Kreativverfahren, tiergestützte Therapie, Achtsamkeits- oder Körperbildgruppenarbeit sowie sozialpädagogische Perspektivenplanung einbezogen. Wichtig vor Entlassung sind sog. Belastungserprobungen, d.h. therapeutische Beurlaubungen ins eigene Lebensumfeld, um die in der Klinik erworbenen Kompetenzen in den Alltag übertragen zu lernen und Sicherheit für die persönliche Zukunft zu gewinnen.
Einbeziehung der Familie
Wenn in der Praxis und vor dem Hintergrund der bestehenden sozialen Interaktion machbar, gehört die Einbeziehung der Familie zu den tragenden Säulen der Behandlung und bildet so eine echte Hilfe bei Magersucht. Hier muss es nicht zwingend gleich familientherapeutischen Maßnahmen kommen. Allein die Vermittlung an die Eltern, dass keine Schuld bei sich zu suchen ist, die Gründe oft vielfältig sind und die Familie viel zur Überwindung der Erkrankung beitragen kann, kann bereits einiges bewirken.
Mit zunehmender Stabilisierung wird die Selbstverantwortung immer größer. Die sogenannte Gewichtserhaltungsphase ist von großer Bedeutung, um konkret zu lernen, wie man sein Zielgewicht unter alltagsnahen Bedingungen selbständig hält. Realitätskontrollen erfolgen durch Beurlaubungen aus unserer Klinik nach Hause, hier muss das therapeutisch Gelernte in den Alltag übertragen und trainiert werden. Schwierigkeiten können dann besprochen und entsprechende Strategien entworfen werden, beim nächsten Mal besser damit umzugehen. Die Entlassung empfehlen wir erst, wenn Beurlaubungen gezeigt haben, dass die Übergabe des Essens in die Eigenverantwortung möglich ist (d.h. das Zielgewicht wird über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen unter eigenständiger Regie gehalten). Schulische und berufliche Perspektiven, Freizeitaktivitäten und Sozialkontakte zu Hause werden konkret gebahnt, um eine sichere Basis für den Neustart zu gewährleisten.
Danach wird die Therapie teilstationär und ambulant weitergeführt.
Quelle: modifiziert aus https://www.hemera.de/behandlungsschwerpunkte/essstoerungen/behandlung-von-magersucht/