F43 Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)


THERAPIE DER WAHL: PSYCHOTHERAPIE

Posttraumatische Belastungsstörungen können erfolgreich mit Psychotherapie behandelt werden. Die psychotherapeutische Behandlung einer Posttraumatischen Belastungsstörung hat zum Ziel, dass Betroffene ihren Alltag wieder bewältigen können und das traumatische Erlebnis als einen Teil ihrer vergangenen Lebensgeschichte anerkennen können, ohne von überwältigenden Gefühlen oder Gedanken an das traumatische Ereignis in ihrer aktuellen Lebenssituation beeinträchtigt zu werden.

 

Die Behandlungsleitlinie empfiehlt ein phasenorientiertes Vorgehen, das aus den drei Phasen Stabilisierung (1), Traumakonfrontation (2) und Neuorientierung (3) besteht.


Phase 1: Stabilisierung (diese Phase kann auch in nicht traumafokussierte Stationen erfolgen)

In der ersten Phase der Traumatherapie, der Stabilisierungsphase, sollen Betroffene soweit „gestärkt“ werden, dass sie bereit sind, sich in der anschließenden Phase mit den traumatischen Erinnerungen konfrontieren zu können.

Folgende Ziele sollen in der Stabilisierungsphase verfolgt werden:

  • Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung: Am Anfang der Therapie sollte der Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung im Vordergrund stehen. Sie ist Grundvoraussetzung dafür, dass eine Traumatherapie erfolgreich durchgeführt werden kann.
  • Psychoedukation: Betroffene sollen über das Störungsbild der  PTBS und deren Auswirkungen, insbesondere auf die persönliche Entwicklung, den Lebensverlauf, die Weltanschauung und Beziehungen aufgeklärt werden.
  • Äußere Sicherheit: Befinden sich Traumatisierte weiterhin in einem bedrohlichen Umfeld, müssen gemeinsam Strategien erarbeitet werden, sich von diesem Umfeld zu lösen. Nur, wenn der Betroffene sich in Sicherheit fühlt, ist eine Traumaverarbeitung überhaupt möglich. Betroffene sollen darin bestärkt werden, ein unterstützendes soziales Umfeld aufzubauen (z.B. Freunde, Selbsthilfegruppen).
  • Stärkung der Emotionswahrnehmung und -regulierung: Betroffene sollen lernen, ihre Gefühle klarer wahrzunehmen und besser regulieren zu können.
  • Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes: Viele Traumatisierte haben ein negatives Selbstbild. In der Stabilisierungsphase gilt es, dieses sukzessive in ein positives Selbstkonzept umzuwandeln.
  • Meditation und Achtsamkeit: Meditation und Achtsamkeit können den Therapieprozess deutlich unterstützen. Sie sind jedoch nicht alleine ausreichend für eine Therapie.


Phase 2: Traumakonfrontation
 Bei der Psychotherapie von Posttraumatischen Belastungsstörungen haben sich  verschiedene Verfahrene als besonders wirksam erwiesen: 


EMDR Therapie

Zentrales Element der EMDR-Therapie sind die geleiteten Augenbewegungen – auch bilaterale Stimulation genannt: Der/die Patient:in folgt den Fingern des/der Therapeut:in mit den Augen, während diese:r die Hand abwechselnd nach rechts und links bewegt. Die Augenbewegungen des Klienten sind mit den Augenbewegungen im REM-Schlaf vergleichbar – der Phase des Schlafes, in der die Geschehnisse des Tages verarbeitet werden. Alternativ zu den Handbewegungen kann der/die Therapeut:in Töne einsetzen oder die Handrücken des/der Patient:in berühren.

Am Anfang der EMDR-Behandlung diagnostizieren qualifizierte Traumatherapeut:innnen in einer ausführlichen und fundierten Anamnese das Trauma und die mit ihm verbundenen belastenden Symptome. Damit Patient:innen sich vorsichtig der Traumathematik nähern können, schaffen EMDR-Fachleute mit viel Einfühlungsvermögen einen sicheren und geschützten Rahmen. Nun können sich die Patient:innen gemeinsam mit ihren Behandler:innen die mit dem traumatisierenden Geschehen verbundenen Bilder und Situationen ansehen und sie von den belastenden Emotionen entkoppeln. In der Regel leiten EMDR-Therapeut:innen während einer Sitzung mehrere Sequenzen der Augenbewegungen an, die eine halbe bis eine Minute dauern. Achtsam leiten sie die Patient:innen durch das Erinnerte und die dazugehörigen Empfindungen.

Eine EMDR-Sitzung ist vergleichbar mit einer Zugreise: Die Patient:innen fahren noch einmal an dem Geschehen vorbei – aber aus sicherer Distanz und in Begleitung ihrer Therapeut:innen. Im weiteren Verlauf der Sitzung verblasst die belastende Erinnerung Stück für Stück und die Symptome des Traumas werden aufgelöst. Die Patient:innen lernen, mit den alten traumatischen Erinnerungen und Gedanken umzugehen und können eine neue, angemessenere Perspektive auf das Geschehen entwickeln. 


Narrative Expositionstherapie (NET)

Die Narrative Expositionstherapie (NET) ist ein Therapiemodul, welches für die Behandlung von Patient:innen mit multipler und komplexer Traumatisierung konzipiert wurde. Es nutzt die Technik der Lebenslinie im Rahmen einer Rekonstruktion der individuellen biographischen Traumageschichte, um auf dieser aufbauend mittels in-sensu Konfrontation die spezifischen Traumata zu bearbeiten. Die NET hat sich in einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien als hocheffektives Verfahren für die Behandlung von Traumafolgestörungen erwiesen. Das strukturierte und manualisierte Vorgehen ermöglicht auch den Einsatz der NET als Kurzzeitintervention in der kulturübergreifenden Arbeit mit Überlebenden aus Kriegs- und Krisengebieten.

STAIR/Narrative Therapie

Erwachsene, die in ihrer Kindheit sexuellen Missbrauch oder Misshandlung erlebt haben, sind oft doppelt belastet. Sie haben zum einen mit traumatischen Erinnerungen und anderen Symptomen der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu kämpfen. Zum anderen hatten sie es besonders schwer im Laufe ihrer Biografie zu erlernen, mit belastenden Emotionen umzugehen und unterstützende interpersonelle Beziehungen aufzubauen. Obwohl Probleme mit der Emotionsregulation, zwischenmenschliche Probleme und Symptome der PTBS bei Betroffenen häufig gemeinsam vorliegen, waren lange keine evidenzbasierten Ansätze im Bereich der Traumatherapie verfügbar die sie gemeinsam adressieren.

Das Therapieprogramm „STAIR/NT“ von Marylène Cloitre schließt diese Lücke. Es stützt sich auf die langjährige Erfahrung und Forschungsarbeit der Autorinnen und integriert in einem phasenorientierten Vorgehen wirksame Interventionen zur Behandlung komplexer Traumafolgestörungen. 

Imagery Rescripting & Reprocessing Therapy (IRRT) 

Die IRRT ist eine spezifische Methode zur Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen, bei der visuelle und verbale Interventionen kombiniert werden um Zugang zu belastenden Erinnerungen und Bildern auf der „Inneren Bühne“ zu gewinnen.

In drei Phasen werden dabei zunächst die traumatischen Erinnerungen und Emotionen aktiviert, durch bildliche Vorstellungen modifiziert und schließlich beruhigende, tröstliche und versöhnliche Bilder in die traumatische Szene eingeführt. Auf diese Weise wird eine schonende, effektive und nachhaltige Bearbeitung der Folgen traumatischer Erlebnisse ermöglicht.


Therapieprogramm „Sicherheit finden“

Sicherheit finden – ein Therapieprogramm für PatientInnen mit Suchterkrankungen und Traumatisierungen

Bei „Sicherheit finden“ handelt es sich um ein Therapieprogramm für Patientinnen und Patienten mit Suchterkrankungen und Traumatisierungen. Es wurde von Lisa Najavits in Boston entwickelt und hat sich auch im deutschen Hilfesystem in unterschiedlichen Settings bewährt. Es handelt sich um einen integrativen Ansatz, der sowohl Sucht als auch Traumafolgen behandelt, um so einen bestmöglichen Therapieerfolg zu erzielen. Das Programm kann als Gruppen- und als Einzeltherapie eingesetzt werden.

Das Programm verfolgt einen stabilisierenden Ansatz. Das bedeutet, dass Traumatisierungen nicht im Detail besprochen und durchgearbeitet werden. Ziel der Behandlung ist es, die Folgen traumatischer Erfahrungen besser zu verstehen und „sichere Bewältigungsstrategien“ zu erlernen, die es ermöglichen auf Substanzkonsum und andere „unsichere“ Verhaltensweisen zu verzichten. Das Programm kann deshalb von allen Berufsgruppen eingesetzt werden. Es kann mit traumafokussierten Therapien (z.B. EMDR) kombiniert werden oder als Vorbereitung dafür dienen. 

 

Cognitive Processing Therapy (CPT)

Die CPT ist eine von Patricia Resick entwickelte und gut in Bezug auf ihre Wirksamkeit evaluierte Therapiemethode zur Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Bei der Behandlung damit werden gemeinsam mit dem/der Patienten/-in belastende Kognitionen die in Folge der Traumatisierung entstanden sind herausgearbeitet und hinterfragt. Mithilfe der CPT werden strukturiert verschiedene Themenbereiche, die viele PTBS-Patient:innen betreffen, beleuchtet: Nach der Bearbeitung von Gedanken die mit Schuld und Scham verknüpft sind werden Kognitionen aus den Bereichen Vertrauen, Kontrolle, Intimität, Sicherheit und Wertschätzung bearbeitet. Die Patient:innen werden mit Hilfe von Arbeitsmaterialien dabei angeleitet immer selbstständiger ihre Gedanken zu hinterfragen.


Phase 3: Integration

Die dritte Phase stellt den Übergang von der Therapie in das „Leben nach dem Trauma“ dar. Gegebenenfalls auftretende Sinnfragen werden geklärt und die Betroffenen dabei unterstützt, sich neu im Leben zu orientieren. Hierzu gehören zum Beispiel Pläne über Ausbildung, Beruf, Freizeit, Hobbys, soziale Aktivitäten und Beziehungen.




Quelle: modifiziert aus https://www.psychenet.de/de/psychische-gesundheit/themen/basiswissen.html#psychotherapie; http://posttraumatische-belastungsstoerung.com/komplexe-ptbs