Rechtliche Aspekte in der (Notfall)Behandlung in Hamburg:
•Schutz des Patienten und Dritter
•Rechte des Patienten
•Einwilligungsfähigkeit
•Unterbringung
•Dokumentation
•Schweigepflicht
•Betreuung nach Entlassung
Der Patient hat...
•das Recht, die Notfalleinrichtung zu verlassen (es sei denn, der Patient ist akut selbst- oder fremdgefährdend),
•das Recht, über geplante Behandlungen, zu erwartende Wirkungen sowie mögliche unerwünschte Folgen informiert zu werden,
•das Recht auf Rechtsberatung, wenn eine Unterbringung droht.
Einwilligungsfähigkeit
•Einwilligungsfähig ist, wer Art, Bedeutung und Tragweite (Risiken) der ärztlichen Maßnahme erfassen kann.
•Einwilligungsunfähig ist, wer Art oder Bedeutung oder Tragweite (Risiken) der ärztlichen Maßnahme nicht erfassen kann.
Unterbringung
•...die Freiheit der Person, insbesondere vor staatlichen Maßnahmen, ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 des Grundgesetz) geschützt,
•...alle Maßnahmen beruhen ausnahmslos auf der Fürsorgepflicht des Staates gegenüber kranken Personen und müssen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren,
•...für jede freiheitsbeschränkende oder -entziehende Maßnahme ist eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung durch das zuständige Amtsgericht einzuholen (oder nachzuholen).
Rechtsgrundlage für die Unterbringung:
Die geschlossene Unterbringung gegen den Willen des Betroffenen ist eine Freiheitsberaubung und gem. § 249 StGB strafbar.
Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe.
Nur in Ausnahmefällen ist die geschlossene Unterbringung gerechtfertigt:
PsychKG
•zum Schutz der öffentlichen Sicherheit
•Die Unterbringung endet durch Ablauf der Frist oder durch Beschluss des Gerichts
•..es muss eine psychische Krankheit festgestellt werden, infolge derer eine erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt, die nur durch Unterbringung und Behandlung in einer psychiatrischen Klinik abzuwenden ist,
•...bei Nichtbehandlung besteht eine akute, unmittelbare Gefahr für den Patienten und/oder Dritte bzw. deren Eigentum,
•...die freie Willensbestimmung (Einsichts- und Urteilsfähigkeit) des Patienten ist krankheitsbedingt stark beeinträchtigt,
...die Zusammenhänge zwischen psychischer Erkrankung und drohender Eigen- oder Fremdgefährdung müssen objektivierbar sein und es muss mit einer Besserung des Krankheitszustandes aufgrund der Behandlung gerechnet werden können
§ 1906 BGB
•für betreute Personen
•Die Unterbringung kann durch den Betreuer beendet werden.
(1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil
• auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder
•zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, die Maßnahme ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.
(2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen.
(3) Der Betreuer hat die Unterbringung zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind. Er hat die Beendigung der Unterbringung dem Betreuungsgericht unverzüglich anzuzeigen.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einem Krankenhaus, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.
(5) Die Unterbringung durch einen Bevollmächtigten und die Einwilligung eines Bevollmächtigten in Maßnahmen nach Absatz 4 setzen voraus, dass die Vollmacht schriftlich erteilt ist und die in den Absätzen 1 und 4 genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasst. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.
Abgrenzung Unterbringung nach BGB bzw. HmbPsychKG
Unterbringungsmaßnahme nach HmbPsychKG zum Schutz der öffentlichen Sicherheit
• Zwangseinweisung in Psychiatrie durch Ordnungsamt (§ 12 HmbPsychKG)
•psychisch kranke Menschen, wenn Eigen- und/oder Fremdgefährdung unmittelbar bevorsteht
•Das Krankenhaus ist verpflichtet, den Patienten am Verlassen der Station zu hindern
•in der Regel gegen den Willen des Patienten
Unterbringungsbeschluss des Vormundschaftsgerichts (§ 1906 BGB) für betreute Personen
•zur Vermeidung von Selbstgefährdung, bei Notwendigkeit einer Heilbehandlung
•Patient darf zum eignen Schutz in Freiheit eingeschränkt werden (z.B. Hinderung am Verlassen des Krankenhauses)
•Gesetzlicher Betreuer muss den Maßnahmen im Vorwege zustimmen
Dabei schließen sich beide Unterbringungsformen gegenseitig nicht aus, sondern sie ergänzen sich.
---Die Unterbringung nach PsychKG ist das Notfallinstrument in der akuten Krisenintervention:
•Zwangseinweisung per PsychKG tritt nach Untersuchung des Arztes in Kraft
•Ärztliches Attest geht an das Amtsgericht (bei uns über Zuführungsdienst)
•Richter muss innerhalb von 24 Stunden hinzugezogen werden und über die Rechtmäßigkeit entscheiden
---Die zivilrechtliche Unterbringung nach BGB geht immer vor bei Patienten, die unter Betreuung stehen (wenn Betreuer erreichbar/wenn zeit dafür da!).
Unterbringungsbeschluss
In beiden Fällen:
•Sachverständigengutachten (Arzt)
•Mit dem Beleg der Erforderlichkeit der geschlossenen Unterbringung
•Richterliche Anhörung des Betroffenen
•Bestellung eines Verfahrenspflegers
Rechtfertigende Notstand
•Der rechtfertigende Notstand regelt eine Konfliktsituation zweier rechtlich geschützter Interessen und erlaubt grundsätzlich die Verletzung des von der Rechtsordnung geringer bewerteten Interesses, wenn der Täter nicht anders handeln kann, um das höherwertige Interesse zu schützen
•Bei akuter Gefährdung AUCH ERSTMAL OHNE RECHTLICHE GRUNDLAGEN (NACHZUHOLEN!) Pat in Sicherheit bringen (einschließen, fixieren, zwangsmedizieren..). Bei dem Konflikt: persönliche Freiheit vs Gesundheit/Leben ist Gesundheit/Leben wichtiger
Fixierung/Freiheitsberaubende Maßnahmen
Rechtsgrundlagen
Was sind freiheitsberaubende Maßnahmen?
•Sie liegen vor, wenn der Betroffene seinen Willen, sich frei zu bewegen nicht durchsetzen kann
Was bedeutet Fixierung?
•Unter Fixierung versteht man jede Form von mechanischer Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit
(z.B. durch Maßnahmen wie Bettgitter, Gurt am Bett bzw. Rollstuhl)
Wann sind freiheitsberaubende Maßnahmen zulässig?
- Einwilligung des Patienten
- BGB: bei bestehender Betreuung mit Einwilligung des Betreuers und Gerichtsgenehmigung (Ist keine gesetzliche Betreuung vorhanden, kann beim zuständigen Gericht eine Eilbetreuung beantragt werden)
- PsychKG: < 30 Minuten (siehe weiter)
- Notwehr (§ 32 StGB) = gegenwärtiger Angriff auf das Pflegepersonal
- Notstand (§ 34 StGB) = ernsthafte Gefährdung des Patienten/ Dritter
- Mutmaßliche Einwilligung des Patienten (Festhalten bei epilept. Anfall)
•Einwilligen kann nur der einsichtsfähige Patient. Angehörige haben hier keine Entscheidungskompetenz!
•Bei minderjährigen Patienten ist Einwilligung beider Erziehungsberechtigter einzuholen
•Bei Notwehr (gegenwärtiger Angriff) und Notstand (gegenwärtige Gefahr z.B. Durchgangssyndrom) muss dass schonendste Mittel gewählt werden und nicht länger als notwendig.
•Nicht nur die Verwirklichung freiheitsberaubender Maßnahmen können strafrechtliche oder Schadenersatzfolgen nach sich ziehen,
•sondern auch wenn freiheitsberaubende Maßnahmen unterlassen werden und es dadurch zu einer Schädigung des Patienten kommt
•Ärzte und Pflegepersonal müssen in jedem Einzelfall entscheiden, ob Gesundheit bzw. Sicherstellung einer medizinischen Maßnahme höher zu bewerten sind, als persönliche Freiheit und Selbstbestimmung des Patienten
Fixierung oder sonstige freiheitseinschränkende Maßnahme darf als dasletzte zur Verfügung stehende Mittel nur vom Arzt angeordnet werden
Der Arzt übernimmt die Verantwortung für Art und Dauer
Die Maßnahme muss vor Beginn vom Arzt schriftlich angeordnet werden,
dokumentiert werden müssen:
•Name des anordnenden Arztes,
•Name und Geburtsname des zu fixierenden Patienten
•Rechtfertigungsgrund (Anordnungsgrund bzw. Anlass)
•Art, Umfang und Dauer der Maßnahme
•Befristung (voraussichtliche Dauer max. 30 Minuten ohne erneute Anordnung)
Ausnahmen in denen das Pflegepersonal z.B. eine Fixierung
ohne vorherige Anordnung eines Arztes vornehmen darf:
Nur in Notfallsituationen (§ 32 StGB oder § 34 StGB), bei besonderer Eilbedürftigkeit aufgrund einer akuten Gefährdungslage für Patienten oder Dritte
Nach der Fixierung ist sofort der Arzt zu informieren, der über die weitere Fixierung zu entscheiden hat.
Eine schriftliche ärztliche Anordnung ist unverzüglich nachzuholen
Pflichten des Krankenpflegepersonals:
Die Patienten sollen während der Dauer der Fixierung unter ständiger akustischer und optischer Beobachtung stehen, um möglichen Verletzungen vorzubeugen.
Die Fixierungsmaßnahmen müssen regelmäßig dokumentiert werden:
•Wer ordnete die Fixierung an?
•Wer fixierte?
•Von wann bis wann und wie wurde fixiert?
•Welche weitere Maßnahmen wurden wann ergriffen? (Vitalzeichenkontrolle, Erhebung des psychischen Befunde, Überprüfung der Fixierung, Medikation etc.)
Hamburgisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten
§ 18 HmbPsychKG - Fixierungen
•1) Eine untergebrachte Person darf zeitweise fixiert werden, wenn und solange die gegenwärtige erhebliche Gefahr besteht, dass sie gegen Personen gewalttätig wird oder sich selbst tötet oder sich verletzt, und diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Die fixierte Person ist an Ort und Stelle ständig in geeigneter Weise persönlich zu betreuen. Wenn begründete Aussicht besteht, auf diese Weise eine schnellere Beendigung der Fixierung zu erreichen, kann im Einzelfall von einer unmittelbaren Anwesenheit der Betreuungsperson in dem Raum, in dem die Fixierung erfolgt, vorübergehend abgesehen werden, wenn sichergestellt ist, dass ein ständiger Sicht- und Sprechkontakt außerhalb des Fixierungsraums zur fixierten Person besteht.
•(2) Eine Fixierung darf nur von einem Arzt oder einer Ärztin aufgrund einer eigenen Untersuchung befristet angeordnet werden. Die ärztliche Überwachung ist im erforderlichen Maß zu gewährleisten. Bei Gefahr im Verzug darf eine Fixierung vorläufig auch von einer Pflegekraft angeordnet werden; die Entscheidung eines Arztes oder einer Ärztin ist unverzüglich herbeizuführen. Soll eine Fixierung über 12 Stunden hinaus andauern oder nach weniger als 12 Stunden erneut angeordnet werden, so ist außerdem die Zustimmung des ärztlichen Leiters oder der ärztlichen Leiterin der Krankenhausabteilung oder der sonstigen Einrichtung, in der die fixierte Person untergebracht ist, oder eines weiteren Arztes oder einer weiteren Ärztin mit einer abgeschlossenen Weiterbildung auf psychiatrischem Gebiet erforderlich.
•(3) Art, Beginn und Ende einer Fixierung, die Gründe für ihre Anordnung und die Art der ständigen Betreuung und Überwachung sowie das etwaige Vorliegen der Voraussetzungen von Absatz 1 Satz 3 und die entsprechende Umsetzung sowie die Nachbesprechung sind zu dokumentieren. Der ärztliche Leiter der Krankenhausabteilung oder sonstigen geeigneten Einrichtung, in der die Unterbringung durchgeführt wird, ist über die Anzahl und Dauer der Fixierungen fortlaufend zu informieren. Die untergebrachte Person ist nach Beendigung der Fixierung unverzüglich auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der Maßnahme gerichtlich überprüfen zu lassen. Der Hinweis ist aktenkundig zu machen.
•(4) Die nicht nur kurzfristige Fixierung sämtlicher Gliedmaßen bedarf der vorherigen Anordnung durch das zuständige Gericht. Sie erfolgt auf Grund eines Antrages durch den für die Fixierung zuständigen Arzt oder die dafür zuständige Ärztin oder durch dessen oder deren Vorgesetzen oder Vorgesetzte. Kann eine gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, ist die Antragstellung unverzüglich nachzuholen. Die nachträgliche Einholung einer richterlichen Entscheidung gemäß Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn bereits zu Beginn der Fixierung abzusehen ist, dass die richterliche Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes ihrer Anordnung ergehen wird, oder die Fixierung vor Herbeiführung der Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Eine Fixierung ist in der Regel kurzfristig, wenn sie absehbar die Dauer von einer halben Stunde unterschreitet. Absatz 3 Sätze 3 und 4 gilt entsprechend.
Zwangsmedikation :
gem. § 1906 BGB gegen den natürlichen Willen des Betreuten nur als „ultima ratio“ zulässig und (außer bei Gefahr im Verzug) nur mit
•Einwilligung des ges. Betreuers
•und Genehmigung des Betreuungsgerichts
kann nach PSYCHKG auch zum Schutze Dritter (z.B. des pflegerischen Teams), wie im Falle fremdaggressiver Patienten, erfolgen
•auch hier ist eine Zustimmung bzw. in Fällen von Gefahr in Verzug eine nachträgliche Genehmigung eines Richters erforderlich
§16 PsychKG
….
Eine ärztliche Zwangsmaßnahme nach Satz 1 ist nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes zulässig, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar ist und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden wäre. Bei einer ärztlichen Zwangsmaßnahme ist insbesondere die Einhaltung der Voraussetzungen nach Satz 1 sowie die Nachbesprechung zu dokumentieren. Eine ärztliche Zwangsmaßnahme bedarf der vorherigen Anordnung des Betreuungsgerichts oder des Familiengerichts, es sei denn, hierdurch würden sich erhebliche Nachteile für das Leben oder die Gesundheit der gefährdeten Person ergeben. Der ärztliche Leiter der Krankenhausabteilung oder sonstigen geeigneten Einrichtung, in der die Unterbringung durchgeführt wird, ist über die Anzahl und Dauer der ärztlichen Zwangsmaßnahmen fortlaufend zu informieren
Allgemeine Richtlinien für Zwangsmaßnahmen (Zusammenfassung)
"Absonderung" bzw. "Isolierung„, "Fixierung" und medikamentöse Zwangsbehandlung sind nur anzuwenden, wenn:
•es die einzige Methode ist, um Schaden für sich selbst oder andere vorzubeugen
•sie einem offiziellen Verfahren folgen
•sie nur so kurz wie möglich angewendet werden
•sie in der Krankengeschichte dokumentiert werden und
•sie unter ständiger Beobachtung von qualifizierten Mitarbeitern stattfindet.