F2 Schizophrenie
THERAPIE DER WAHL: MEDIKAMENTÖSE THERAPIE kombiniert mit PSYCHOTHERAPIE (VERHALTENSTHERAPIE)
PHARMAKOLOGISCHE BEHANDLUNG AKUTER SCHIZOPHRENISCHER PSYCHOSE:
STUFE I:
Beginnen Sie mit einem atypischen Antipsychotikum wie:
Risperidon (ab 1 mg bis zu 4–6 mg, bei älteren Piatenten maximal 2 mg, in einer Einzel- oder Doppeldosis, Stärken: starke antipsychotische Wirkung, wirkt nicht sedierend, verursacht weniger Gewichtszunahme als Olanzapin; Schwächen: es kann zu Steifheit führen, es kann– insbesondere bei hohen Dosen – Akathisie, Dyskinesien (auch spät und irreversibel, im Allgemeinen alle extrapyramidalen Symptome) verursachen, es kann insbesondere bei hohen Dosen eine Hyperproaktinämie mit sexuellen Störungen und Unfruchtbarkeit verursachen (wenn die Hyperprolaktinämie über Monate/Jahre anhält, steigt das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken)
Olanzapin (ab 2,5 mg bis 20 mg, bei älteren Piatenten max. 5 mg, Einzeldosis vor dem Schlafengehen, Stärken: starke antipsychotische Wirkung vergleichbar mit Risperidon, fördert den Schlaf, verursacht normalerweise keine Muskelsteifheit; Schwächen: kann zu Übergewicht führen, insbesondere bei hohen Dosen verstärken sich die extrapyramidalen Symptome, auch wenn weniger als bei Risperidon.
Dauer: Wenn es zu einem gute Ansprechen kommt, auch wenn es zu Beginn nur partiell ist, nehmen Sie das Medikament mindestens 6-8 Wochen lang ein und prüfen Sie, ob das Ansprechen (d.h. Reduktion der Symptome) vollständig wird, andernfalls erhöhen Sie die Dosis.
FÜR PATIENTEN, DIE ÜBERGEWICHTIG SIND, KEINE SEXUELLEN PROBLEME HABEN WOLLEN ODER NICHT SEDIERT WERDEN MÖCHTEN:
Erste Wahl ist Ziprasidon, beginnen Sie mit 20 mg morgens oder abends und steigern Sie nach einigen Tagen auf 2x20 mg. Sie können bis zu 2x80 mg erhalten. Hier ist auf das QT zu achten, daher sind zu Beginn und nach jeder Dosiserhöhung EKGs notwendig; ODER Aripiprazol, beginnend mit 2,5 mg und bis zu 15 mg, einmal morgens: Leider kann es bei 30 % der Patienten zu Unruhe führen. Ziprasidon und Aripiprazol sind weniger stark als Risperidon und Olanzapin.
PATIENTEN MIT LEBERSTÖRUNGEN:
Amisulprid erste Wahl, Profil ähnlich wie Risperidon.
STUFE II:
Wenn Sie von der Einnahme von Olanzapin oder Risperidon in guten Dosen über mindestens 6–8 Wochen nicht profitiert haben, nehmen Sie das andere Medikament ein.
STUFE III:
Sprechen Patienten nach 4 Wochen nicht auf eine Monotherapie an, sollen zunächst Ursachen für diesen Verlauf evaluiert werden. Zu diesen Ursachen gehören insbesondere die Fehldiagnose, eine nicht ausreichende Mitarbeit der Patienten,eine nicht angemessene Dosis und ein zu niedriger Serumspiegel (TDM), somatische und psychische Komorbidität sowie eine ungünstige Komedikation.
Um eine potenziell wirksame Behandlung nicht grundlos abzubrechen und unnötige, mit erhöhten Nebenwirkungen und Kosten verbundene Therapieintensivierungen zu vermeiden, ist vor einer Änderung der Therapiestrategie die Prüfung möglicher behebbarer Ursachen des Nichtansprechens und damit der Ausschluss einer Pseudotherapieresistenz notwendig
Werden diese behebbaren Ursachen ausgeschlossen, kombinieren Sie das Antipsychotikum mit der Benzodiazepin Lorazepam 1–2,5 mg bis zu 4-mal täglich oder Diazepam 5–10 bis zu 4-mal täglich. Bewerten Sie die klinische Verbesserung kontinuierlich: sobald sie erreicht ist, reduzieren Sie die Benzodiazepin, wenn auch mit Vorsicht. Bei Piatenten, die von Anfang an unruhig, gequält, gefährdet (Suizidgedanken, katatonisch) oder gefährlich (aggressiv) sind, von Anfang an zu dem Antipsychotikum auch Benzodiazepinen ansetzen!!!
STUFE IV:
Wenn innerhalb von 2 Wochen kein positives Ansprechen erfolgt ist, kombinieren Sie Olanzapin und Risperidon, z.B. Olanzapin 5-10 mg abends und Risperidon 1-2 mg morgens (und 1-2 mg um 14 Uhr).
STUFE V:
Wenn es noch kein positives Ansprechen gibt, setzen Sie Olanzapin und Risperidon ab und versuchen Sie es mit dem klassischen Antipsychotikum Haloperidol (bis zu 2,5 mg x 4-mal täglich oder 5 mg morgens und nachmittags –). Höhere Dosen sind nicht erforderlich, sie verstärken nur die Nebenwirkungen!). Risikoprofil ähnlich wie Risperidon, jedoch ist das Risiko der Entwicklung extrapyramidaler Symptome/Syndrome höher!
STUFE VI:
Haloperidol + Olanzapin.
STUFE VII:
CLOZAPIN. Clozapin ist das stärkste Antipsychotikum auf dem Markt, kann jedoch bei 1,5–3 % der Menschen, die es einnehmen, eine Agranulozytose verursachen (mit dem Risiko, sogar tödliche Infektionen zu entwickeln, die aber nach Absetzen des Arzneimittels reversibel sind). Daher sind kontinuierliche Blutuntersuchungen erforderlich. Clozapin kann auch Herzprobleme verursachen: EKGs vor allem zu Beginn notwendig (laut Beipackzettel)
Darüber hinaus kann Clozapin bei Risikopersonen epileptische Anfälle auslösen. Was die übrigen Eigenschaften betrifft, ähneln sie Olanzapin, mit der Ausnahme, dass Clozapin praktisch nie extrapyramidale Symptome verursacht! Die Verabreichung von Clozapin darf nur erfahrenen Psychiatern anvertraut werden.
STUFE VIII:
Haloperidol+Clozapin
Der Einsatz von Depot-Antipsychotika wird grundsätzlich nicht empfohlen!!! Psychotische Rückfälle nehmen mit der Zeit zu!!!
WIE LANGE
BEI SCHIZOPHRENIE WIRD NACH EINEM POSITIVEN ANSPRECHEN, DAS MEDIKAMENT FÜR 6 MONATE – 1 JAHR EINZUNEHMEN, AUCH WENN VOR DIESEM ZEITRAUM EINE REMISSION ERREICHT WIRD; DANACH SOLLTE ES REDUZIERT UND INNERHALB VON 6-9 WOCHEN ABGESETZT WERDEN.
Im Falle einer zweiten schizophrenen Episode nehmen Sie das Antipsychotikum zwei Jahre lang ein. Aber Vorsicht: Über Jahre hinweg eingenommene Antipsychotika können Rückfälle von Psychosen begünstigen. Es ist immer besser, bereits nach einem Jahr seit der Einnahme zu versuchen, die Medikation abzusetzen! Auf jeden Fall sollten Sie immer versuchen, die Medikation zu reduzieren!
KOGNITIV-VERHALTENSTHERAPIE BEI SCHIZOPHRENIE
Psychoedukative Angebote (edukativ = erzieherisch) vermitteln zunächst einmal Wissen über die Erkrankung. Ein besseres Verständnis der Schizophrenie soll helfen, die Behandlung selbst mitzugestalten.Eine Psychoedukation kann in Einzel- oder Gruppengesprächen stattfinden. Die Krankheit zu verstehen, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, sie zu bewältigen. Dadurch sinkt auch das Risiko für einen Rückfall. Dies kann beispielsweise daran liegen, dass Betroffene dann frühzeitiger Hilfe aufsuchen, weil sie Anzeichen einer akuten Psychose eher erkennen – oder lernen, bestimmte Stresssituationen zu vermeiden.
Eine Verhaltenstherapie kann dabei helfen, besser mit einer Schizophrenie und ihren Folgen umzugehen. Hauptziel ist, Selbsthilfestrategien zu entwickeln. Dazu gehört, ein positiveres Selbstbild und das Gefühl zu entwickeln, die Krankheit bewältigen zu können. Für viele Menschen ist es wichtig, in der Therapie offen über ihre Situation zu sprechen und ihre teils extremen Erfahrungen einordnen zu können. Eine Psychotherapie kann auch schon während einer akuten Psychose begonnen werden. Im Rahmen der Therapie ist es möglich, herauszufinden, was einen besonders belastet und in welchen Situationen es zu Problemen kommt. Für den Erfolg einer Psychotherapie ist ein gutes Vertrauensverhältnis zur Therapeutin oder zum Therapeuten entscheidend. Es wird vermittelt, wie man Warnzeichen für eine akute Psychose erkennen, frühzeitig reagieren und gegensteuern kann. Zusammen mit der Therapeutin oder dem Therapeuten werden bei Bedarf verschiedene Strategien erarbeitet, auf Wahrnehmungsveränderungen und wahnhafte Ideen zu reagieren – zum Beispiel mit Ablenkungs- und Entspannungstechniken. Zudem kann eine Psychotherapie dabei helfen, im Beruf und Privatleben besser zurechtzukommen.
Es liegt die Annahme, dass die psychotische Symptomatik Ergebnis einer Interaktion von Vulnerabilität und Stress ist. In den klassischen Modellen kommt dabei den neuropsychologischen Funktionseinbußen eine wichtige Rolle zu. Eine mangelnde Filterung von Umweltreizen, basierend auf geringeren Kapazitäten der Informationsverarbeitung der Betroffenen, wird als Auslöser der beobachteten Symptome proklamiert. Kognitiv-behaviorale Weiterentwicklungen dieser Modelle basieren auf der Ausweitung biologischer Vulnerabilität auf den Bereich der kognitiven Vulnerabilität in Form von dysfunktionalen Schemata aufgrund traumatisierender oder negativer interpersoneller Erfahrungen. Im Zentrum solcher Modelle stehen Bewertungsprozesse, genauer Bewertungen eigener ungewöhnlicher Körperempfindungen oder Halluzinationen, die durch Überlastungsreaktionen in der Konfrontation mit Lebensereignissen oder täglichen Stressoren entstanden sein können. So werden beispielsweise beim Auftreten akustischer Halluzinationen diese nicht als „normale“ Reaktion einer Überlastung interpretiert sondern exteral und personal attribuiert (zum Beispiel „Jemand versucht mich zu manipulieren.“). Emotionalen Zuständen der Person (zum Beispiel Angst, Ärger), Aktivierung dysfunktionaler Selbst- und Fremdkonzepte sowie Urteilsverzerrungen (zum Beispiel voreiliges Schlussfolgern) kommt in diesen Modellen eine zusätzliche vermittelnde Rolle auf dem Pfad zwischen Stressoren und ihrer Bewertung zu. Außerdem wird ihnen eine gewichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Symptome zugeschrieben. Die Annahme, dass dysfunktionale Bewertungsprozesse zur Ausbildung psychotischer Symptome beitragen, bildet die wesentliche Voraussetzung für die Anwendung kognitiver Interventionen.
Viele Menschen mit Schizophrenie haben Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme. Dies führt unter anderem zu Schwierigkeiten beim Lernen und beim Lösen komplexer Aufgaben. Solche Probleme lassen sich durch ein kognitives Training jedoch bis zu einem gewissen Grad ausgleichen. Ziel eines Wahrnehmungs- und Gedächtnistrainings ist es, die geistigen Fähigkeiten zu stärken, die im Alltag besonders wichtig sind – beispielsweise, um einen Beruf ausüben zu können.Studien weisen darauf hin, dass vor allem eine spezielle Trainingsmethode wirksam ist: die sogenannte kognitive Remediationstherapie. Dabei werden beispielsweise am Computer Gedächtnis- und Problemlösungsaufgaben geübt.
Die Familie kann wichtige Unterstützung bieten. Unter bestimmten Umständen kann das Familienklima den Krankheitsverlauf aber auch ungünstig beeinflussen. Zu Problemen kann es kommen, wenn Familienmitglieder durch die Erkrankung überfordert sind und es zu Schuldzuweisungen oder Konflikten kommt. Dies kann für den Verlauf einer Psychose eine wichtige Rolle spielen: So weiß man, dass das Risiko für einen Rückfall erhöht ist, wenn das Familienleben durch häufige Kritik, Abwertung oder Überfürsorglichkeit geprägt ist. Dabei tragen beide Seiten – Betroffene und Angehörige – zum Familienklima bei. Eine Familientherapie soll dem vorbeugen und Angehörigen helfen, mit der Erkrankung besser umzugehen. Während der Therapie wird Wissen über die Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten vermittelt. Schuld- und Schamgefühle sowie Ängste sollen abgebaut werden. Zudem werden konkrete Lösungen für familiäre Probleme erarbeitet und es wird nach Möglichkeiten gesucht, wie sich die Familienmitglieder besser unterstützen können.
Quelle: modifiziert aus Benkert, Hippius, Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie 12.Auflage; klinische Erfahrung.